Donnerstag, 23. Oktober 2014

Logbuch von Sebahel "Stingray" Sommar



x. Pharast

Mein Aufschrei war vor Wut verzerrt. Das Steuer war kaputt. Sabotage! An meinem Schiff! Ach, nee, Moment… noch ist Russale ja Kapitän. Also nicht, dass man mich falsch versteht: ich bin ihm gegenüber absolut loyal. Er ist der beste Kapitän, unter dem ich bislang gesegelt bin. Zwar etwas spaßbefreit, der Gute, aber das bekomme ich schon noch hin. OK, wo waren wir? Sabotage! An Russaaaaaales Schiff! Aber immerhin an meinem Steuer! Das kann ein Stingray, Schrecken der Shackles, Trauzeuge von Addron Russale, Begnadeter Verarzter der Ladies im House of Kisses, Träger des mächtigsten Schwertes Golarions, Offizieller Sprecher des Kapitäns und zukünftiger Piratenfürst, nicht auf sich sitzen lassen. Na ja, dann werde ich unser Schiffchen mal reparieren, dachte ich so bei mir. Nur blöd, dass wir zeitgleich auch von so einem Pflanzenwesen angegriffen wurden. Ein „canopy creeper“, wie unser Gelehrter Alderon das Viech im Nachhinein bezeichnet hat. Das hört sich in der Gemeinsprache echt monströs an: cäänooopiii criiiipaaaa. Ins Elfische übersetzt könnte man dieses Wesen aber auch „Kronenkriecher“ oder auch „Wipfelkriecher“ nennen und genauso lächerlich, wie das jetzt klingt, kam es mir ehrlich gesagt auch vor. Dazu aber später mehr…
Irgendwie konnte der Creeper die Lianen aus dem Dschungeldach über uns dazu benutzen, um damit gezielt anzugreifen. Der Kampf begann, indem einige unserer Seemänner von den Schlingpflanzen umwickelt und nach oben gerissen wurden. Während Kapitän Russale, Addron und der Schamane, den wir beim letzten Landgang getroffen und willkommengeheißen haben, sich dem Monster widmeten, bekam ich den Befehl, das Steuer zu reparieren. Sobald dies erledigt war, sollte ich mich dann entweder am Kampf beteiligen. Oder, wenn es keine Aussicht auf Erfolg gegen den canopy creeper gab, uns mit dem dann wieder fahrtüchtigen Schiff aus dieser Bucht rausbringen. Unser Kapitän scheint ein verkappter Taktikfuchs zu sein: Zwar nicht ganz so schlau, aber dafür genauso stinkig! Ich muss sagen, diese Doppeloption finde ich gar nicht schlecht. Sowas sollte ich mir für mein zukünftiges Kapitänsamt unbedingt merken.

Im Wasser wimmelte es mittlerweile von Sahuagins, die auf Haien reitend unser Schiff umkreisten. Da ich außen am Schiff herunterklettern musste, um das Steuer zu reparieren, machte ich mich unsichtbar. Nach dem Losklettern hörte ich immer wieder die Schreie meiner Mitstreiter, die von den Lianen gepeitscht oder von Deck gerissen wurden oder wieder auf selbigem aufschlugen, wenn sie sich aus den Lianen befreien konnten. Alles in allem hörte es sich recht schmerzhaft an, was sie da oben trieben. Unten am Wasserspiegel angekommen bemerkte ich, dass das Ruder nicht nur sabotiert, sondern zerstört war. Zum Glück hingen die Teile noch an einigen letzten Splittern aneinander oder trieben in Armreichweite durchs Wasser. Da noch alles da war, konnte ich den Schaden mit Besmaras Segen in einer knappen halben Minute beheben. Stingray sei Dank, dass er so ein Multitalent ist und es die Königin der See so gut mit ihm meint! Nach getaner Arbeit konnte ich wieder schnell am Schiff hochklettern, um auf Deck „klar Schiff“ zu machen. Wie erwartet hatten mich die Hai-Reiter nicht bemerkt, aber leider ebenso wie erwartet war der Kampf auf Deck noch nicht entschieden. Es sah sogar eher so aus, als könne der Kriecher die Oberhand gewinnen, da wir keine ausreichenden Fernwaffen hatten. Die Feuer- und Blitzzauber von Alderon und seinem Schamanenfreund richteten anscheinend keinen Schaden an. Also hing mal wieder alles am lieben Stingray und seinen hervorragenden Ideen.


Während ich meine wunderbare Säbelzahnklinge zog, merkte ich wie immer, wie mir leicht schwindelig wurde. Unter uns Kapitänstöchtern: diese Waffe berauscht mich einfach. Ich muss allerdings zugeben, dass mich dieser Zustand immer etwas kurzatmig und schwächer macht. Aber egal, ich führe die mächtigste Klinge Golarions, die sich mir zwar noch immer nicht offenbart hat aber von der ich spüre, dass ihr eine unbegreifliche Macht innewohnt. Irgendwann… ach egal, ich muss mich erst einmal auf den Kampf gegen Schmidtchen Schleicher auf dem Baumwipfelpfad konzentrieren. Was machten eigentlich gerade meine Mitstreiter? *flatsch* Ah, verstehe, alles Gute kommt von oben… Ich hingegen hatte Größeres vor. Aber genau da lag der Seehund begraben: Unser Feind schwang sich gut 80 Fuß über uns durchs Kronendach und der Herr zukünftige Piratenfürst steht auf Deck mit einem geilen Schwert und zwei Handarmbrüsten. Aber der Tag wird erst noch kommen, an dem einem Stingray die Ideen ausgehen. Nun denn, dachte ich, die Klinge wird schon dafür sorgen, dass ich da hoch komme und unserem Koch Ambrose die erste Ladung Creeperschnitzel zuschneide. „Schwert! Wie Du auch immer heißen magst. Mach was. Bring mich da hoch und ich werde das Viech da oben mit Dir töten.“


Freunde, was soll ich sagen? Einen Augenblick später stand ich oben in der Baumkrone. Mein erster Gedanke war: „Nanuchen? Was‘n hier losi?“ Einen weiteren Augenblick später merkte ich, dass ich noch immer unsichtbar und der Creeper genau vor mir war, letztgenannter mich nicht beachtete während er meinen Kameraden auf dem Schiffsdeck weiter Backenfutter gab. Ich nahm meine Klinge in beide Hände, stieß sie tief in den Kopfsalat vor mir und spürte Macht. Ehrlich gesagt kann ich mich an die nächsten Momente nicht mehr richtig erinnern. Im Nachhinein glaube ich, dass ich alles wie durch einen roten Schleier wahrgenommen habe. Meine Klinge steckte bis zum Heft in einem toten Etwas, das wohl mal ein canopy creeper war. Ich habe keine Ahnung, was da genau passiert ist, aber ich hatte den Eindruck, das Monster vor mir an einer kritischen Stelle getroffen und massiven Schaden verursacht zu haben. Ein gut aufgelegter Stingray kann Kämpfe im Alleingang entscheiden. Ich werde Carnage mal fragen, ob es für ihn genauso schön war, wie für mich.

Nach einem artistisch hervorragenden Sprung landete ich im Krähennest und kletterte den Mast nach unten bis zu den Brettern, die die Welt bedeuten. Während sich der Rest der Offiziersrunde nach dem Kampf wieder zusammenflickte, nahm ich mir nochmal das Gedicht vor, wegen dem wir hergefahren waren. „Aus der blauen Bucht Umarmung…“ Während ich mich umsah, fielen mir die fast senkrecht abfallenden Felsen auf, welche die Bucht bis auf den engen Durchbruch ins offene Meer wie eine Umarmung umgaben. Der Eingang zur Bucht lag ziemlich genau im Osten. Also konnte der „erste Kuss der Morgendämmerungsblume“ wohl nur „Sonnenaufgang“ bedeuten. Bei Morgendämmerungsblume kommt mir die Idee, meiner lieben Rosie im nächsten Hafen mal einige Sonnenblumen zu kaufen. Sie liebt diese Blumen und warum sollte ich Ihr nicht eine solche Freude machen? Zurück zum Gedicht. Es passte bislang ja ganz gut zusammen, dass man sich im Moment des Sonnenaufgangs im östlichen Durchbruch aufhalten, und sich irgendwas anschauen sollte. Und hier hatten Alderon, Percey und die ganzen Schlaumeier mit ihrer bisherigen Übersetzung in die Bilge gegriffen. „Schaue auf der der toten Lady's Grabes Sieges-Zahn/Zinken/Zacken“ – was soll das denn heißen?! Übersetzt man es aber mit „Erblicke der Grabesladys Prisenzahn“ oder statt „Prise“ eher „Beute“, also „Beutezahn“, dann kommt man darauf, dass man an der gegenüberliegenden Felswand wohl einen Vorsprung oder Felszacken entdecken soll, der irgendetwas mit einer toten Frau zu tun haben könnte. Weiter kam ich vorerst allerdings auch nicht. Allerdings hatten wir auf jeden Fall den Hinweis, dass wir am nächsten Morgen den Felsen an der Westwand der Bucht genau beobachten sollten. Also warteten wir… Einige leckten sich währenddessen die Wunden aus dem letzten Kampf. Ich hingegen leckte… ah nein, wartet, Rosie will ja nicht, dass ich darüber detailliert berichte (sorry, Jungs).

Und bevor ich es vergesse: die Flying Spirit wird ab sofort auf Geheiß unseres in seiner Weisheit unerreichten Kapitäns durch eine zweite Flagge, nämlich die von Sebahel "Stingray" Sommar, geschmückt. Dies ist der Dank für mein mutiges Einschreiten gegen den canopy creeper, bei dem ich einen durchaus nicht zu vernachlässigenden Anteil an der Rettung von Schiff und Crew hatte. Meine Flagge befindet sich am Besanmast und hängt damit - verständlicher Weise - tiefer als die unseres hervorragenden Kapitäns. Lang Lebe die Zusammenarbeit zwischen Kapitän Russale und mir. Verruchte Besmara, lass uns bitte immer genug Munition an Bord, immer genug Wind in den Segeln und immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel haben!

 x+1. Pharast
Beim Sonnenaufgang des nächsten Tages sahen wir es: Ich hatte das Schiff an den beschriebenen Platz manövriert und wir konnten es kaum glauben. An der westlichen Felswand bildeten die Schattenwürfe der aufgehenden Sonne eine Art Gesamtkunstwerk. Wo zur übrigen Tageszeit eine zerklüftete Steilwand war, war im Moment des Sonnenaufgangs ein Totenschädel zu erkennen! Über nahezu die ganze Felswand. Wir sahen der Grabeslady also direkt ins Gesicht. Und wäre dies nicht schon genug, blitze einer ihrer Eckzähne für einige Sekunden golden auf. Ha! Dieser Zahn hatte also etwas mit einer schönen Prise zu tun? „Climb the captains's wayward orb“ Ich konnte mir zwar auch nicht alles erklären, aber zumindest forderte uns das Gedicht auf, den „orb“ – also die Kugel, also den Totenschädel – hinaufzuklettern. Nachdem wir bis zum „Zahn“ geklettert waren, konnten wir erkennen, dass sich dahinter ein Höhleneingang verbarg. Um den vermeintlichen Zahn befand sich eine zwar dreckige, aber dennoch golden schimmernde Gesteinsschicht. Alderon meinte, dass es sich dabei um Pyrit, also Katzengold, handelte. Mir egal. Hauptsache es glänzt, wenn ich auf Geheiß eines Gedichts, bei Sonnenaufgang, mehrere Hundert Seemeilen von zu Hause, nach einem Kampf auf Leben und Tod zufällig im richtigen Moment draufglotze. Der belesene Herr Alderon sollte übrigens mal Klettern lernen, aber das nur so am Rande.
In der Höhle gab es zunächst wenig Überraschendes. Muffige, feuchte Luft, außer Fackeln kein Licht und mehrere Gänge, die voneinander abzweigten. Wir gingen durch den einen oder anderen Tunnel und versuchten, uns auf die übrigen Gedichtzeilen einen Reim zu machen. Plötzlich entdeckte ich eine Baumstammfalle und entschärfte diese dermaßen gelungen, dass die nie wieder jemanden überrollen wird. Dahinter war nur ein totes Gangende, das sich trotz eingehender Untersuchungen nicht als etwas Anderes entpuppte. Eine Abzweigung hatten wir noch offen und verolgten diesen Tunnelpfad dann bis zu einem weiteren Ende. Aus der Verzweiflung heraus, dass wir dem Gedicht so lange folgen konnten, wollten wir nicht glauben, dass es hier nichts zu holen geben sollte. Ich glaube, es war Besmaras Fingerzeig; auf jeden Fall fingen wir an zu graben und stießen nach einiger Zeit auf Holz! Wie sich herausstellte allerdings nicht auf eine verbuddelte Truhe, sondern auf eine Art Falltür. Kapitän Russale konnte selbige „öffnen“. Aus dem Loch, durch das wir in die dunkle Tiefe starrten, wehte uns noch muffigere Luft entgegen.

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